Die Malereien von Anna-Maria Kursawe – regelmäßig in selbst angeriebener Eitempera unter Verwendung natürlicher Pigmente ausgeführt – zeichnen sich durch eine dicht gefügte Farbigkeit und eine enge Verzahnung von Bildraum und abstrakter Bildfläche aus. Sie sind nicht selten strukturell ortlos, das heißt der Raum als solcher im Bild ist zwar klar gebaut und einzelne Bildgegenstände sind in ihm konkret verortet, aber es ist kein benennbarer Ort dargestellt. Ebenso ist das Licht losgelöst von einer konkreten Situation. Orte, wo man nicht mehr da und noch nicht dort ist; die Nichtanwesenheit in einem festen Kontext. Oft zeigen ihre Arbeiten austauschbare Architekturen, Interieurs oder Situationen, wie sie uns an modernen Funktionsorten wie Flughäfen, Infrastrukturbauten, Hotels, in urbanen Randzonen oder auch im digitalen Raum begegnen. Es sind Orte der Anonymität und Bewegung. Malerisches Hauptgestaltungselement ist der Zusammenhang von Raum, Zeit und Fläche und deren Wechselwirkungen. Räume und Ortsdarstellungen lassen durch ihre gegenseitige Überblendung und Neuordnung visuelle Mehrdeutigkeiten für den Betrachter zu. Die Orte erfahren dadurch etwas Vorübergehendes, nicht genau Erfahrbares. Die Figuren im Bild werden Teil der Räume und malerisch behandelt wie ihre Umgebung, unter Verzicht auf ein spezifisches Milieu. Anna-Maria Kursawes Bilder reflektieren gegenwärtige Lebensumstände, die oft durch Austauschbarkeit und schnelle Veränderlichkeit geprägt sind. Sie überträgt diese Konzeption ebenso auf ihre architekturgebundenen Wand-Raum-Arbeiten. Diese sind meist abstrakter und lösen die Grenzen der gebauten Architektur auf, aktivieren durch minimale Setzungen den Raum und machen eine fließende, übergreifende Räumlichkeit fühlbar.
…Anna-Maria Kursawe wuchs in Berlin auf und studierte dort an der TU und an der UdK Architektur und parallel dazu Malerei auf Burg Giebichenstein und wiederum an der UdK. Nach einer geraumen Zeit in Nürnberg und einer Stippvisite in München lebt und arbeitet sie heute in Leipzig.
In der Großstadt aufgewachsen, hat sie die vielen Eindrücke von Straßenzügen, Architektur und weiten Perspektiven in ihren beiden Studien vertieft und macht sie auf ihren Werken aus dem Blickwinkel der Malerin und der Architektin künstlerisch sichtbar. Ihr Gespür für Raumsituationen und ihr Abstraktionsvermögen von dreidimensionalen Zusammenhängen ist neben ihrer soliden malerischen Ausbildung Grundlage für die Ästhetik ihrer Werke.
Kursawe holt uns über kluge Blickführungen in die Konstruktion ihrer Bildräume hinein. Dort fühlen wir uns erinnert, wir erkennen das ein oder andere Motiv und sind dennoch irritiert. Unser Blick wird von Diagonalen über trapezoide Formen geschwind durch die Werke geleitet. Hier verweist die Künstlerin auf Flüchtigkeit, Dynamik und Mobilität und versetzt damit Merkmale des Ist-Zustands unserer Zeit in ihre Bildräume. Jene Diagonalen sind ästhetische Werkzeuge für Kursawe. Sie bestimmen auf kleinster Fläche die Illusion größtmöglichen Tiefenzugs sowohl im Innenraum wie auch im urbanen Kontext. Raumverschiebungen entlang dieser diagonaler Achsen scheinen das Bildgeschehen zu beschleunigen.
In den Interieurs löst die Künstlerin auf gleiche Weise die Logik traditioneller räumlicher Anmutung behutsam auf wie in den teilweise landschaftlichen und stadtlandschaftlichen Stücken. Langweilig wird es dem Betrachter nie, seine Augen wandern permanent durch die aufgebrochene Formlandschaft und ruhen sich auf dem gedämpften Kolorit aus. Auf fast allen Gemälden architektonisch intendiert, geht es der Künstlerin im Titel „Gebautes“ jedoch um viel mehr: Sie entwickelt malerische Räume, in denen die Architektur oder Gegenstand als erinnerndes Motiv die Komposition und eine zentrale, vermeintliche Perspektive schärft. Vermeintlich, da Kursawe die Perspektive stellenweise irreal an mehreren Fluchtpunkten festmacht. In den daraus entstehenden facettierten Flächen arbeitet sie knapp entlang an der Grenze zur Konstruktiven Kunst.
Zurückhaltende Zitate von Bauten, trivialen Gegenständen und unspektakuläre Szenen verklammern unsere Wahrnehmung mit der Realität und lenken unsere Aufmerksamkeit auf Formen und Bildkonzeption. Dort findet man keinen Dekor, sondern eine recht sachlich behandelte Malerei, die in ihrem Ausdruck jedoch alles andere als spröde erscheint. Selten zeigt sich eine Figuration als Metapher für den Menschen, dem Erbauer der Räume, die in seinem Maß und Proportion gestaltet sind. Dies ist der Leitfaden für uns Betrachter, wir können uns die Dimensionen des Bildraums vorstellen, den die Künstlerin illusioniert. Anna-Maria Kursawe stellt die Statik der Gebäude nicht infrage, doch neigt sie dazu, das, was in der Architektur stählern starr aus Beton gegossen und glasverblendet ist mit dem weichen Klang ihrer Farben zu fusionieren.
Kursawes Bilder sind klug und gewichtet, denn sie analysiert den Raum gleichermaßen malerisch und konstruktiv. Sie lässt abstrakte Flächen entstehen, diese kristallin aufeinandertreffen und entschärft durch die Unschärfe des offen verstrichenen Farbauftrags. Jenes Non Finito (eigentlich ein Terminus der Bildhauerei) also die partielle Nicht-Vollendung ist ebenfalls ein Werkzeug der Künstlerin, um die Stofflichkeit ihrer Malerei zu visualisieren und damit auch bewusst einen Gegenpol gegen virtuelle Bildergefüge heutiger Zeit zu schaffen. Selten zeigen sich Komplementärkontraste, eher selten auch kräftige Farben wie ein akzentuiertes Rot, sonst gedeckte, beruhigte Töne, naturalistisch orientiert und unverkennbar für die Künstlerin. Damit schafft sie eine farbliche Atmosphäre, die zusätzlich Weite vermittelt und einem Sfumato, der Weichheit im Hintergrund liegender Bildelemente ähnelt.
Gewissermaßen entrückt jenes gedämpfte Kolorit die konstruktiv gesetzten Szenerien und macht gleichzeitig eine Stofflichkeit sichtbar, die wir aus unseren Sehgewohnheiten kennen. Grund hierfür ist die Verwendung von ungefirnister Acrylfarbe und Eitempera, Farben, die die Körperlichkeit der Farbpigmente in der zweiten Dimension zurückhalten und somit – sagt die Künstlerin – deutlich mehr an der Räumlichkeit gearbeitet werden muss als bei klassischer Ölmalerei. Ihr stellenweise aufgelockerter Duktus, das Kolorit, selten komplett umrissene Flächen, die durch Überlagerungen Binnenstruktur erhalten sowie Ungenauigkeiten, verdeutlichen die malerische Haltung Anna-Maria Kursawes und die Eigenständigkeit ihrer künstlerischen Handschrift.
Konzentriert arbeitet die Künstlerin an der Illusion des nie vollständig definierten, irrealen Raums mit geklappten und gekippten Perspektivverläufen, verschiedensten Ansichten von schräg oben bis schräg unten. Letztlich eine Denkweise, die auf der klassischen Avantgarde aufsetzt und Lyonel Feininger, die Kubisten oder die Futuristen als Urahnen vorstellbar macht. In den Siebdrucken, die sie Transiträume nennt, setzt die Künstlerin deutlich mehr auf eine technoide, ungegenständliche Anmutung und verlässt mit scharfen Begrenzungen, klaren Formen und Rasterungen das Terrain, das sie in ihren Gemälden durch Annäherungen an Architektur und Perspektive herstellt. Gut nachvollziehbar ist dies in der Reihe kleinerer Werke im Eingangsbereich. In ihrer intellektuellen und gleichzeitig intuitiven Herangehensweise hat Anna-Maria Kursawe ihren authentischen Ausdruck gefunden, der uns ein anderes Sehen ermöglicht…
Barbara Leicht M.A., Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung „Gebautes“ des Kunstkreis Jura im Reitstadel in Neumarkt i. d. Opf. am 09.02.2019
… Anna-Maria Kursawe widmet sich Szenerien in tagheller, luftiger Atmosphäre. Für die Malerin und Architektin ist Raum in Interieur oder Landschaft gleichermaßen von großer Bedeutung. Mit meist beruhigtem und von nur wenigen leuchtkräftigen Farben begleitetem Kolorit, interpretiert sie in ihren Gemälden zeitgenössische Stadtsituationen. Das Erscheinen von Architektur wirkt überzeitlich, nur auf einigen Arbeiten werden die Szenen von Figuration staffiert und ein erzählerisches Moment deutet sich an. Die Malerin hat Mut zur Leere und exzerpiert Ausschnitte aus dem urbanen Leben und aus Innenräumen.
Kursawe bekennt sich zur malerischen Handschrift. Stets zeigt sie – selbst dort, wo sie abstrakt – konstruktiv arbeitet – ihren Duktus, der eine zu sachliche Aussage der Werke entschärft. Überall finden sich Partien, die bald skizzenhaft wirken. Ein lockerer Pinselstrich, nicht willkürlich, sondern wohl überlegt gesetzt.
Auch Anna-Maria Kursawe ist eine brillante Beobachterin ihrer Umgebung, jedoch enthebt sich ihr Oeuvre ein gutes Stück weit des Realismus. Sie arbeitet mit Diagonalen und trapezoiden Flächen, um ihren Raumkonzepten Gestalt zu geben, Tiefenraum zu simulieren und die Gemälde zu weiten Einblicken in Situationen werden zu lassen. Kein Wunder also, dass die Künstlerin immer wieder Raumzeichnungen auf Wänden und Böden von Galerien und anderswo realisiert, in denen sie stringent ihr Kolorit einsetzt und mit ihrer Auffassung über die Beziehung von Linie und Fläche arbeitet. In ihrer Kunst vermittelt sie entrückte Augenblicke, Sichten auf Architektur und auf Landschaft, erlebt beim Gang durch die Stadt, beim Blick aus dem Fenster, beim Durchstreifen von ländlichen Gegenden. Die zarte farbliche Atmosphäre ähnelt teilweise einem Sfumato und schafft Weite.
Blickt man auf die Interieurs, erfährt man viel über die inhaltliche Aussage der Künstlerin. Denn es sind nie spektakuläre Szenen, stets führt die Malerin unseren Blick zu eher Unbedeutendem, manchmal Trivialem hin. Konzentriert zum Thema Raum arbeitend, zeigt sie intelligent komponierte Perspektiven. Gegenstände oder Staffage nutzt sie, um einerseits die Illusion ihrer Bilder zu erhöhen, andererseits dem Betrachter zu ermöglichen, sich bis zu einem gewissen Grad in ihnen zurecht zu finden. In den abstrakten Werken verlässt die Künstlerin die reale Welt gänzlich. Hier stellt sie fiktive Anmutungen dar, ein räumliches Mosaik von Flächen in konstruktivistischen Kompositionen.
Anna-Maria Kursawes Werk ist analytisch, aber nie spröde. Sie hat die Körperlichkeit der Farbe im Blick und Malerei steht im Vordergrund ihres Schaffens.
Barbara Leicht M.A., Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung „Day and Night“ – Anna-Maria Kursawe und Mathias Otto im Stadttheater Fürth am 18.03.2018
„Shifting Space V“ hat Anna-Maria Kursawe ihre Ausstellung überschrieben. Den Reiz des sich verändernden Raumes kann der Besucher ihrer Bilderschau, die zur Zeit im Kunsthaus Reitbahn 3 gezeigt wird, erfahren.
Anna-Maria Kursawe ist nicht nur Künstlerin, sondern auch Diplom-Architektin. Ein Umstand, der in ihrer Malerei unübersehbar seinen Niederschlag gefunden hat. Klare geometrische Formen, helle reine Farben, sauber gesetzte Linien bestimmen ihr Werk. Ihre Bilder sind geprägt von einer Exaktheit, wie sie in der Architektur erforderlich ist. Nicht wenig erinnern sie an Entwürfe für geplante Bauwerke: Ein Modell des Kunsthauses samt den aufgehängten Werken findet sich gleich am Eingang.
Von Landschaftsmalerei würde man bei Kursawes Werken zunächst wohl kaum sprechen. Doch genau die ist ihr Sujet. Allerdings grenzt sich die in Berlin und Nürnberg lebende Künstlerin bewusst von tradierten Auffassungen ab. Idyll, Romantik, arkadischen Zauber setzt sie eine gewisse Nüchternheit gegenüber. Den ländlich-bäuerlichen Kulturraum – der von vielen Landschaftsmalern thematisiert wird – kontrastiert sie mit den modernen Nutzbauten der „Zwischenstädte“. Industrieanlagen, Speckgürtel, Transiträume dienen ihr als Motive.
Gänzlich ausgeklammert scheint dabei der Mensch, zumindest in dieser Ausstellung. Leer, verlassen, fast wie Geisterstädte wirken ihre Stadt- und Industrielandschaften. Dabei geprägt von einer fast steril wirkenden, ästhetischen Schönheit.
Kühle Farben überwiegen. Hierbei bevorzugt Kursawe Eitempera, um den Effekt der Helligkeit, der Transparenz, der Weite zu erzeugen. Nur selten setzt sie ein warmes Braun, ein abgetöntes Rot oder ein wärmeres Blau ein. Dabei steht sie im Farbspiegel sogar dem großen Impressionisten Cezanne nahe, der seine idyllisch-romantischen Landschaftsszenarien durch eine bewusst kühle Farbkomposition ernüchterte. Allerdings dominieren bei ihm die geschwungenen, üppigen Formen der Natur, während Kursawe kaum eine Kurve andeutet. Aller scheinbaren Unverortetheit zum Trotz beziehen sich viele ihrer abstrahierten Landschaftsdarstellungen auf Reales. Die Titel geben den Hinweis: „Cherbourg“, Berlin-Marzahn“, „Biarritz“ haben unter anderem als Inspiration gedient.
Mitunter findet ein einzelnes Gebäude, etwas ein Wohnhaus in Sants, Eingang in Kursawes Betrachtungen. Aber auch jene „Transiträume“ der modernen Stadtgefüge, wie etwa Treppenhäuser, Hallen in Flugplätzen oder Bahnhöfen, sind ihr Thema. Orte, die vom Betrachter in der Regel nicht als solche wahrgenommen werden. Keine Stätten der Begegnung, der Kommunikation, des Austausches, sondern Zwischenstationen, oft gar als unangenehm empfunden. Doch sie gehören zu unseren heutigen Landschaften ebenso wie die Nutzbauten von Industrie und Handel. Sie stehen für das, was im ländlichen Raum der Acker, das Feld, der kultivierte Wald bedeuten. Den Wandel der Landschaft in eine neue bildnerische Sprache zu kleiden, ist für die Architektin Anna-Maria Kursawe eine besondere Herausforderung.
Martina Kramer, Fränkische Landeszeitung – Ansbacher Tagblatt, 06.07.2016, über die Ausstellung „Shifting Space V“ im Ansbacher Kunsthaus
Im Anfang war der Raum. Die Zeit lässt ihn zurück, ohne ihn zu verlassen. Ein seltames Paar. Nur in der Zeit ist Raum und nur in seinem Wandel lebt die Zeit. Sie sind immer eins und viele.
Bei Anna-Maria Kursawe begannen alle Fragen mit der Malerei. Wie überhaupt setzt der Raum sich zusammen? Und wie geht das auf, was ihn ausmacht als Raum? Wie stellt Raum sich dar, wenn man ihm auf einer Fläche begegnet? Wie wirkt diese zurück auf den umgebenden Raum?
Die Bilder sind schöne, gediegene Antworten. Der Raum fließt in ihnen, soweit das angeht; ein ruhiger, gesetzter Raum, einer, der nicht leicht-sinnig wird. Dieser Raum ist ganz bei sich, der sich faltet, schichtet, staut und wieder löst zu neuem, freiem, ungebundenem Gebilde.
Die Künstlerin aber befragt ihn weiter: sie nimmt ihn zurück aus den Bildern zum realen Raum. Linien entweichen, schlagen Fluchten, Winkel, Kanten an, durchqueren, kreuzen und folgen dem Verlauf. Der ganze Raum wird Bild und die Grenzen schwinden – Raum wird Bild wird Raum.
Der ganze Zauber nimmt uns auf, die Flächen werden Körper, der Raum bewegt sich und wir bewegen den Raum. Jeder Blick bekommt Dynamik, jeder Schritt schafft neuen Raum. Alles Sein ist zugleich Bewegung und Harmonie, die deshalb so bewegend ist, weil wir sie selbst erschaffen.
Ralf Bartholomäus, Pressetext zur Ausstellung „Interne Passagen“ in der galerie weisser elefant, Berlin, vom 10.01. – 14.02.2015
Anna-Maria Kursawe lebt und arbeitet in Nürnberg und ihrer Heimatstadt Berlin. Sie ist in Erlangen, wo sie auch als Geschäftsführerin des Kunstvereins amtiert, schon durch Ausstellungen bekannt.
Ihr Motiv ist die Landschaft. Obwohl ihre Bildtitel eher abstrahierend formuliert sind, handelt es sich doch ganz konkret um die vom Menschen gestaltete Landschaft oder weitläufiger um den von Menschen besetzten und bewohnten Raum. Die Erscheinung der natürlichen Welt ist durch die Spuren definiert, die menschliche Aktivitäten in ihr hinterlassen haben.
Dabei spielt die Architektur eine wichtige Rolle, eine Disziplin, in der die Malerin einen weiteren akademischen Abschluss erworben hat. Damit ist keine Parteinahme für die anonyme Alltagsarchitektur verbunden. Anna-Maria Kursawes Architekturmalerei ist durchaus reflektiert.
Der Mensch als aktiver Gestalter seiner Welt kommt nämlich in ihren Bildern nicht vor. Er tritt allenthalben nur als Zuschauer und Statist in einem architektonischen Universum auf, hervorgehoben häufig durch seine Übergröße, gemessen an der Kleinteiligkeit der Landschaftsarchitektur. Denn die geometrischen Formen der Bauwerke setzen sich in der flächigen Struktur der Felder und Berghänge fort.
Diese Menschen leiden nicht unter der von ihnen gestalteten Welt, sondern erscheinen eher gleichgültig, „Vorübergehende“, wie ein Bild betitelt ist. Oder sie treten als Rückenfigur auf, beschränkt auf die Rolle des unbeteiligten Zuschauers, gleichsam als Gegenbild zu Capar David Friedrichs Rückenfigur des „Wanderers im Gebirge“, der von Emotionen völlig übermannt ist.
Wie Touristen halten sich diese Menschen stets in Zwischenräumen auf. Anna-Maria Kursawe spricht von „Transiträumen“, zu denen nicht nur Abflughallen oder Bahnstationen gehören, sondern auch die scheinbar privaten Rückzugsräume: Ein einsamer Klappstuhl trägt den Titel „Vakant“.
In diesen Bildern herrscht eine, man möchte sagen, gnadenlose Helligkeit. Im schattenlosen, „senkrechten Licht“, so ein weiterer Bildtitel, bleibt keine Einzelheit verborgen, zumindest was die Formen der Malerei betrifft, denn das Gegenständliche ist nur sparsam angedeutet. Die Malerei mit Eitempera, deren Farbigkeit zugleich körperhaft und durchsichtig auftritt, erschafft farblich stimmige Bildräume, in denen jedes Bild eine einzigartige Präsenz entwickelt.
Dr. Kurt Jauslin, Erlanger Nachrichten, 27.09.2014 – Seite L42, über die Ausstellung „Durchgangsräume“ in der VHS Erlangen
In der malerischen Arbeit, die die Künstlerin seit 2002 verfolgt, setzt sich Kursawe hauptsächlich mit modernen Stadträumen auseinander. Interessiert ist sie an dem zeitgenössischen architektonischen Raum in dem der heutige Mensch lebt. Architektur als Lebensraum ist geprägt nicht nur von den vorhandenen Baumassen, ihren Proportionen und ihrer geometrischen Ausdehnung im Raum sondern wesentlich auch von Leerraum, Zwischenräumen und Umgebungen. Die immaterielle Wirklichkeit der Stimmungen und Atmosphären, Nähen und Weiten, Dimensionen und Niveaus bestimmt ebenfalls die Raumqualität.
In ihren Bildern tauchen immer wieder Menschen als geometrisch reduzierte Figuren auf, die sich durch diese Räume bewegen. In den letzten Jahren kristallisierten sich Transiträume im Sinne des Durchgangsraumes als eine Hauptthematik ihrer Arbeit heraus. Öffentliche Räume, die durchschritten werden, Räume die ‚Zwischenräume‘ bilden wie z.B. Warteräume in Bahnhöfen, Flughäfen in denen Menschen auf einen Transport von einem Ort zum anderen warten, oder eine Passage, die von einer Seite zur andern führt; Orte wo man nicht mehr da und noch nicht dort ist. Auf Grund der fortschreitenden Mobilität erscheinen Orte verstärkt als austauschbare Zwischenstationen und werden nicht notwendigerweise als stabile Aufenthaltsorte wahrgenommen.
Bewusst setzt die Künstlerin öfters Linien und Flächen in ihre gemalten Bilder, die den Regeln der Perspektive widersprechen und so zur Irritation führen. So weiß man oft nicht woher ihre Figuren kommen und wohin sie gehen.
Eine experimentelle Weiterführung sind nun ihre Raumkonzepte „Transiträume“. Bilder im Allgemeinen, zeigen die räumliche Dimension auf einer Fläche, nun überträgt Kursawe zweidimensionale Linienführungen und Flächen in den tatsächlichen dreidimensionalen Raum und verwischt dabei die Grenze zwischen den Dimensionen. Die Installation besteht aus farbigen Klebebändern, kleinen gemalten Bildern und flächigen Objektteilen. Wände, Boden, Decke und Leerraum werden mit einbezogen. „Transitraum“ fordert die Betrachter zu einem sehgewohnheitserweiternden Spiel auf.
Der Besucher durchschreitet und erlebt den Raum aus verschiedenen Blickwinkeln. Durch minimale künstlerische Strukturierung setzen sich ‘neue Räume‘ und Verhältnisse zusammen und Raumgrenzen werden aufgesprengt.
Elisa Asenbaum, G.A.S-station, Berlin
Die Frage, ob wir den Anblick einer Landschaft für schön oder hässlich zu halten haben, entscheidet sich im Auge des Betrachters. Für die in Nürnberg und Berlin lebende Malerin Anna-Maria Kursawe stellt sich die Frage nicht. Sie malt schöne Bilder, die jetzt in einer Ausstellung der Galerie „arsprototo“ zu sehen sind.
Ihr Motiv ist die gegenwärtige, von Eingriffen des Menschen gezeichnete Landschaft, das sich aber nicht grundsätzlich von der alten Landschaftsmalerei unterscheidet: Motiv war immer die gestaltete Kulturlandschaft und nicht eine unberührte Natur. Die Differenz zur Tradition ergibt sich daraus, dass Anna-Maria Kursawe unsere Sehgewohnheiten verändert.
Nach der ästhetischen Konvention sind wir gewohnt, Schönheit der Landschaft immer im Kontrast zwischen Natur und menschlichen Eingriffen wahrzunehmen. Der Grund liegt in der Ästhetik des so genannten „Naturschönen“, das auf einen paradiesischen Zustand oder auf die Erhabenheit, der elementaren Naturereignisse verwiesen hat. Für Anna-Maria Kursawe gibt es keine Differenz zwischen einem „Naturschönen“ und der Landschaft der Zivilisation. Der Mensch kommt in ihren Bildern weder als Bewohner einer Idylle noch als Sieger oder Unterlegener im Streit der Naturkräfte vor. Er ist Zuschauer und Mitwirkender zugleich.
Ihre Landschaften sind keine Manifestation der gestörten Natur. Die Formen der Naturlandschaft und die auf geometrische Grundformen reduzierten Architekturen erscheinen in der Malerei als beinahe harmonische Einheit, verbunden durch die Tektonik des Bildaufbaus, die nicht zwischen natürlichen und künstlichen Motiven unterscheidet. Auf diesen Bildern hat die Zivilisation der Natur nicht den Krieg erklärt. Der sachlich geprägte Blick auf die Welt verkneift sich jegliche Idylle ebenso wie das Zitieren gängiger Motive der Kulturkritik.
Die weitgehend schattenlose Transparenz ihrer lichtdurchfluteten Bilder geht nicht zuletzt auf das Konto der Malerei mit Eitemperafarben. Sie verfügt über eine schier unendliche Fülle von farblichen Abstufungen, mit deren Hilfe die Malerin auch die scheinbar einförmigen Flächen der leeren Landschaft zum Tanzen bringt. Das Wiedererkennen realer Ansichten ist damit nicht gemeint, sondern die Einsicht in Landschaft als Lebensraum, dessen Gestalt auf der Grundlage skizzenhafter Aufzeichnungen neu erfunden wird. Die Wirklichkeit der Bilder entsteht als Einheit aus erinnerter Realität und Fiktion.
Dr. Kurt Jauslin, Erlanger Nachrichten, 09.07.2011, über die Ausstellung „Malerei und Zeichnung“ in der Galerie arsprototo, Erlangen
Bewegte Schemen
Die heutige Zeit ist schnelllebig. Der Mensch hastet von Ort zu Ort, Informationen stürmen auf ihn ein, die Uhr tickt schneller und schneller. Zeit, die aufgenommenen Eindrücke zu verarbeiten, bleibt da kaum.Konturen verwischen sich, Menschen verlieren ihre Individualität, Landschaften werden zu anonymen Orten. Diese Thematik beschäftigt die Berliner Künstlerin Anna-Maria Kursawe in ihrer jüngsten Ausstellung „Aufenthaltswahrscheinlichkeiten“, die zurzeit im Ansbacher Verwaltungsgericht präsentiert wird.
Der Titel suggeriert bereits jenes Vage, Unbestimmte, Flüchtige, das unsere heutige Alltagswirklichkeit größtenteils bestimmt. Auf eindrucksvolle Weise verleiht Anna-Maria Kursawe diesem Phänomen Gestalt.Ihre Bilder haben etwas von doppelt belichteten Fotografien, bei denen sich mehrere Schickten übereinander lagern. Dinge werden nicht mehr scharf abgegrenzt, sondern verwischen und werden zu Schemen, die gerade noch die gröberen Umrisse erkennen lassen. Zugleich erzeugt diese Malweise den Eindruck von Bewegtheit, von einem Vorbeirauschen der Szenerie, so wie von einem Autofenster heraus betrachtet. Menschen erscheinen schablonenhaft, größtenteils ohne charakterisierende Gesichtszüge und ohne sichtbaren Bezug zueinander oder der Welt, die sie umgibt. Als Landschaften zeigt die Künstlerin vorzugsweise Orte, die ohnehin eine gewisse Anonymität befördern. Dazu gehören Industriegebiete ebenso wie manches Stadtviertel oder auch einzelnes Bauwerk. Die weiße Aussichtsplattform vor dem Palau Nacional in Barcelona etwa, ein Platz, so steril, unpersönlich und weitläufig, dass sich der Mensch darin verliert und trotz einladender Stadtansicht kaum Muse zum Verweilen empfindet. Anna-Maria Kursawe gibt diese Stimmung auf ihrem Barcelona-Bild eindrücklich wieder. Wie verloren stehen die Touristen in Rückenansicht zum Betrachter auf der Terrasse, die Konturen der darunter liegenden Stadt verschwimmen, der Ort wird im Grunde austauschbar. „Haus“ heißt ein anderes Bild. Ein streng geometrisches Gebäude, das einsam in einer frostig wirkenden Landschaft liegt. Seltsam teilnahmslos blicken die beiden Frauen im Vordergrund des Bildes „Vorüberziehen“ ins Leere. Sie scheinen in keinem Bezug zu ihrer Umgebung zu stehen, welche selbst eigentümlich kühl anmutet obwohl es sich um eine Sommerszene handelt.
Dieser Effekt, der so typisch für die Arbeiten Kursawes ist, wird zusätzlich durch die Farbgebung bestärkt. Die Künstlerin verwendet ausschließlich Eitempera, was ihren Bildern eine helle mitunter transparente Farbigkeit, ähnlich der des Aquarells, verleiht. So wirken sie zum einen kühl, glasig, vielleicht sogar ein wenig abweisend, aber zum anderen auch licht, luftig und freundlich. Dies formuliert einen reizvollen Widerspruch zu der düsteren Thematik der Ausstellung und macht Anna-Maria Kursawes Werke zudem ästhetisch höchst ansprechend. Die Farbwahl und der kubistische Anklang verleihen ihren Bildern einen gewissen nostalgischen Touch, der jedoch nichts Romantisierendes hat. Kursawes Bilder foppen, gerade weil sie so schön sind.
Martina Kramer, Fränkische Landeszeitung – Ansbacher Tagblatt, 20.5.2010, über die Ausstellung „Aufenthaltswahrscheinlichkeiten“ im Verwaltungsgericht Ansbach